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Bolle - doch ein Turnierpony?

Und so lebten sie alle happily everafter bis an ihr Lebensende!

Ha! Weit gefehlt!

Manchmal höre ich mich selbst lautstark klagen, dass "ein bisschen mehr Ruhe" doch mal schön, oder dass ein "einfaches Pferd" doch viel entspannter wäre, dass ein strukturierter Alltag so vieles erleichtern würde oder dass weniger Verpflichtungen meinen Nerven guttun würden.

Doch wenn wir ehrlich sind, sind es doch genau diese kleineren und größeren Herausforderungen, die das Leben erst spannend machen, und an die wir uns später zurückerinnern: "Weißt du noch damals.. das war krass!"

 

Herausforderungen - What's next?

 

Ich gebe zu, obwohl ich seit so vielen Jahren reite, mich hat das Turnierereiten nie so richtig gereizt. Mein eigener Perfektionismus, der daraus resultierende Druck und die teilweise fragwürdigen Kommentare mancher Richter:innen haben mich immer davon abgehalten, mich für 3 Minuten im Prüfungsviereck so sehr zu stressen. Da Bolle's Nervenkostüm auch nicht unbedingt als besonders stabil beschrieben werden kann (wie schon im ersten Beitrag beschrieben '*.*), bin ich auch als frisch gebackene Ponybesitzerin nicht als allersteres auf die Idee gekommen, mich mit ihm ins Turniergetümmel zu werfen.

Doch es kommt ja bekanntlich immer anders als frau denkt, und so kam unsere Reitlehrerin auf die völlig verrückte Idee, das Pony einfach mal in einem so genannten Test of Choice vorzustellen. Corona hatte uns noch immer im Griff und das regelmäßige "das Pony läuft so toll! Der muss auf Turnieren vorgestellt werden" kitzelte mir schon länger in den Ohren.

Wie außerordentlich praktisch, dass wir im September nach langer turnierloser Zeit ganz vorsichtig ein erstes kleines Turnier in der Corona-Zeit ausrichten wollten und - wer hätte das gedacht - auch Test of Choice-Prüfungen ausgeschrieben wurden. "Meinst du, das Pony kann schon L-Lektionen, Rebekka?" "Wenn du's nicht ausprobierst, wirst du es nicht herausfinden!"

 

Einfach mal machen

 

Spannend, wie dieser kleine Vierbeiner es schafft, mich nun schon zum wiederholten Male aus meiner Komfortzone zu locken. "Wenn du es schaffst, dass Bolle und ich irgendwie diese Prüfung beenden, dann springe ich dir in die Arme!" Dieser Herausforderung konnte Rebekka dann auch nicht widerstehen. So einen Spaß lässt sie sich nicht entgehen.

Und dann ging es auch schon los: Außengalopp testen, Schritt-Galopp-Übergänge herauskitzeln, zum ersten Mal die Beine in einer Kurzkehrt verknoten, Mittelschrittschritte über die Mittellinie zählen, Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen im Aussitzen reiten. Verrückte Welt!

Und siehe da.. wenn Frauchen und der Vierbeiner konzentriert bei der Sachen blieben, funktionierten diese neuen Lektionen schon recht annehmbar. Der holländische Wiesenunfall Bolle wird natürlich (wahrscheinlich) nie mit den top Dressurpferden auf den Turnierplätzen mithalten können, aber wenn die Lektionen sauber funktionieren, freut sich nicht nur das kleine Kind im Sattel.

Um die "Vorfreude" und Aufregung vor dem Turniertag noch ein wenig zu steigern, wurde mir dann, natürlich nach Einreichen der offiziellen Nennung, klar, dass die Aufgabe ja auswendig geritten werden muss. Ach du Schreck! Noch eine Herausforderung! So konnten Fußgänger, die an unserer Wohnung vorbeiliefen und in unsere Küche schauten, schon mal gelegentlich eine junge Frau beobachten, die in einem mehr oder weniger eleganten Außengalopp auf einem halben Zirkel durch die Küche galoppierte! - Hüha! - Was soll ich sagen? Frau lernt eben durch Wiederholung und das Pony wird durch Wiederholung eher gelangweilt. Also verfolgte ich diese Strategie bis zum letzten Tag und hey! es hat funktioniert! Die Generalprobe verlief ohne plötzlichen Gedächtnisschwund. Ein erstes Erfolgserlebnis!

 

Kleider machen Leute

 

Da es nun wirklich und wahrhaftig ernst wurde, musste natürlich auch ein schönes Turnieroutfit her. Jacket, Bluse, weiße Hose, weiße Handschuhe - und für das Pony eine weiße Dressurschabracke! Und auf einmal war auch dieses Kribbeln da. Diese Vorfreude auf das Turnier. Diese Spannung vor der Prüfung. Und die Begeisterung das Pony zu präsentieren!

Das sind ja schon einmal keine schlechten Voraussetzungen für den ersten Turnierstart seit Jahren. Nun stellte sich nur noch die Frage, welche Frisur das Pony bekommen sollte. Vorherige Versuche, die wilde Mähne in den Griff zu bekommen sahen immer mehr schlecht als recht aus, und meine friesenerprobten Bauernzopfflechtkünste waren bei Bolle kurzer Mähne auch eher unangebracht. Drölfzigtausend YouTube-Videos zu Einflechttutorials später war mir dann klar - hier hilft nur die Nähnadel. Und so probierte ich am Wochenende vor dem großen Tag mit reichlich geistiger und seelischer Unterstützung aus, ob wir Bolle's Mähne bändigen können! Siehe da - der Herr sieht mit professioneller Frisur sogar recht ansehnlich aus!

Dank vieler Aufgaben, die das Vorstandsmitgliedsdasein so mit sich bringt, hatte ich in der darauf folgenden Woche gar keine Zeit nervös zu werden, oder mir alle möglichen und unmöglichen Horrorszenarien auszumalen, sodass der Turniertag plötzlich ganz schnell vor der Tür stand.

In diesen Tagen wurde unsere Anlage ganz fleißig herausgeputzt, Schilder und Protokolle gedruckt, Turnierdienste wurden verteilt und Kuchenspenden vorbereitet. Eine kleine Meldestelle wurde eingerichtet und geschult, sowie alle verfügbaren Helfer für den Gastrobereich organisiert. - So kam es auch, dass meine Eltern plötzlich Teil des RVK-Teams waren und mein Mann einen neuen Grill-Buddy gefunden hat, aber dazu vielleicht später mehr ;) -

Zu meinem Glück ist auf meine allerbeste Lieblingsfreundin, die (leider) eigentlich in Berlin wohnt, immer Verlass, sodass ich mich am Tag des Tages auf das beste Bodenpersonal inkl. Holunder.. sirup (natürlich ^^ *hicks*) verlassen konnte.

Mit dieser perfekten Vorbereitung saß ich dann pünktlich zur ersten Prüfung des Tages, dem Test of Choice L-Dressur, nach völlig entspanntem Fertigmachen und Einnähen auf dem Abreiteplatz auf dem Pony und war erstaunt über meine Ruhe und noch mehr erstaunt und nicht weniger verwirrt über mein Pony, das mit mir über den Abreiteplatz schwebte, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Verrücktes Tier.

Wenn in diesem Moment mein Name nicht schon in seinem Pferdepass hinterlegt gewesen wäre.. Ich hätte ihn direkt gekauft! (allerdings wäre er dann wahrscheinlich nicht mehr zu verkaufen gewesen.. :D) Er hat es tatsächlich geschafft, dass ich mit einem breiten Lächeln auf den Lippen und Tränen in den Augen auf die Schlusslinie abgebogen und auf die Richter zugeritten bin, denn er ist durch diese Prüfung marschiert, wollte er uns allen beweisen, dass er eben doch kein Wiesenunfall, sondern das beste Pony dieser Welt ist!

Hach Bolle, natürlich bist du das!

Da die Prüfung letztlich und endlich "nur" ein Test of Choice war, gab es weder Wertnoten noch eine Platzierung, aber die Rückmeldung, dass die Grundlagen schon gut gelegt sind, und die geschätzte Wertnote von 6,1 waren mehr, als wir uns erhofft hatten. Freudentränen sind schon etwas feines!


Die Schleife aus der darauf folgenden Dressurreiter A-Prüfung und der erste Platz beim Jump and Run am späteren Nachmittag waren für mich dann noch das Tüpfelchen auf dem i, die Sahnehaube sozusagen, mit Kirsche!

Ob wir stolz waren? Ganz minimal.


Hören wir jetzt auf mit diesem Turnierreiten und schonen meine Nerven - man soll ja bekanntlich aufhören, wenn's am schönsten ist -, oder ist das jetzt nur der Startschuss für noch mehr Nervenkitzel und weitere Schleifchen? Mal sehen.. Bolle überrascht ja immer wieder.


Bis bald,

Eure Alex =)

1 Comment


Andrea Wehren
Andrea Wehren
Jan 04, 2023

Sehr schön geschrieben, manchmal muss man mutig sein und die Komfortzone verlassen...mal geht alles gut und mal auch nicht...das ist das Leben!

Ich hab dich lieb und bin stolz auf euch beide, Kind und Enkelpony.

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Hello, schön, dass Du da bist!

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